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für den nächsten Freitag zum Skypen verabredet hatte.
»Bleiben Sie dran, Monsieur Sherman«, hatte Cathérine Robert
beim Abschied verstohlen zugeraunt. »Meine Tochter ist manchmal
ein bisschen schwierig, aber sie hat ein Herz aus Gold.«
Die Frau mit dem Herz aus Gold war sichtlich nervös, als sie am
Samstag gegen vier Uhr vor der weißen Villa mit den dunkelgrünen
Fensterläden parkten. Und auch Robert selbst spürte, wie eine
gewisse Aufregung ihn erfasste. Er hielt seine große lederne Um-
hängetasche auf dem Schoß, in dem die beiden Manuskripte steck-
ten. Was würde ihn in diesem Haus erwarten? Gab es etwas, das
seine Mutter ihm verschwiegen hatte?
Rosalie zog die Handbremse ein bisschen zu fest an und atmete
tief durch. »So. Jetzt wird s spannend. On y va!«, sagte sie und
nickte ihm zu. »Und wie gesagt, überlassen Sie das Reden mir.«
»Ja doch. Sie müssen das nicht alle zwei Minuten sagen.«
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Sie stiegen aus und schritten durch den Vorgarten. Der Kies
knirschte leise unter ihren Schuhen, die Luft war warm und roch
nach Gras. Aus der Ferne hörte man das Brummen eines Rasen-
mähers. Ein Vogel zwitscherte. Ein ganz normaler Samstag-
nachmittag in Le Vésinet an einem spätsommerlichen warmen Tag
im September.
Vor der dunkelgrünen Eingangstür sahen sie sich noch einmal
an. Dann hob Rosalie ihre Hand und drückte auf die Messingklin-
gel, die rechts in der Mauer eingelassen war.
Ein helles Ding-Dong ertönte im Inneren des Hauses. Kurz da-
rauf hörte man leichte, schlurfende Schritte und das Klacken von
aufgesetzten Stöcken.
Max Marchais öffnete die Tür. Sein graues Haar war zurück-
gekämmt, der Bart ordentlich gestutzt. Sein Gesicht kam Robert et-
was schmaler vor als auf dem Autorenfoto in dem Buch. Die Augen
lagen tiefer in ihren Höhlen, die Anstrengungen der letzten Wochen
waren ihm anzusehen.
»Rosalie  wie schön, dass Sie gekommen sind.« Er stand,
gestützt auf seine Krücken, im Eingang und schenkte ihr ein herz-
liches Lächeln. Dann richteten sich seine hellen Augen fragend,
aber durchaus freundlich auf Robert.
»Oh, Sie haben jemanden mitgebracht?« Er trat einen Schritt
zurück, um sie beide einzulassen.
»Ja. Entschuldigen Sie. Ich & Ich wusste nicht, wie ich es Ihnen
am Telefon erklären sollte«, sagte Rosalie. »Das ist Robert, ein &
ein Freund von mir & nun ja, mittlerweile, meine ich & und wir &
wir wollten & ich muss Ihnen & «
Sie verhaspelte sich, und Robert sah, wie über das Gesicht des al-
ten Mannes ein Lächeln huschte.
»Aber, bitte, liebe Rosalie, das ist doch kein Problem. Sie müssen
nichts erklären. Ich habe ja Augen im Kopf, auch wenn die Sehkraft
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leider etwas nachgelassen hat.« Er musterte Robert mit sichtlichem
Wohlgefallen. »Ihr Freund ist mir selbstverständlich ebenso
willkommen.«
Robert sah, wie Rosalie protestieren wollte, doch der alte Herr
hatte sich schon umgedreht und schritt vorsichtig an seinen Krück-
en in Richtung Bibliothek voran. Die große gläserne Schiebetür des
Wohnzimmers war zur Seite geschoben, und auf der Terrasse sah
man einen gedeckten Kaffeetisch, auf den der Schatten eines
großen weißen Sonnenschirms fiel.
Marchais trat auf die Terrasse und winkte sie zu sich. »Venez,
venez, der Kuchen reicht für uns alle. Entschuldigt, aber ich muss
mich setzen. Ich bin noch etwas wacklig auf den Beinen. Rosalie hat
Ihnen sicher erzählt, was für ein Missgeschick mir passiert ist.« Mit
einem erleichterten Seufzer ließ Marchais sich in einem der Korb-
stühle nieder und lehnte die Krücken an den Tisch.
Sie folgten ihm zögernd. Robert sah Rosalie auffordernd an, aber
diese zuckte nur mit den Schultern und zischte ihm etwas zu, das
wohl »gleich« bedeuten sollte.
»So. Sie sind also Robert. Sind Sie Amerikaner?«, fragte Marcha-
is arglos, nachdem Rosalie und er ebenfalls Platz genommen hat-
ten. Er richtete seine Augen auf Robert, der ihm gegenüber saß,
und dieser musste zugeben, dass der große bärtige und im Moment
etwas hilflos wirkende Mann auf den ersten Blick etwas ganz Ver-
trauenerweckendes hatte.
Unschlüssig warf er einen raschen Blick zu Rosalie hinüber, die
zwischen ihm und Marchais saß und keinen Ton sagte. Wie es aus-
sah, musste er das Reden wohl übernehmen.
»Ja, ganz richtig«, antwortete er mit fester Stimme. »Ich bin
Robert. Robert Sherman.« Meine Güte, er klang wie so ein marki-
ger James Bond. Aufmerksam beobachtete er sein Gegenüber,
dessen Gesicht keine erkennbare Regung zeigte. »Ich denke,
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Rosalie hat Ihnen schon einmal von mir erzählt.« Aus dem Augen-
winkel nahm er wahr, wie Rosalie, die gerade die silberne Kaf-
feekanne in der Hand hielt, um ihnen allen einzugießen, unwillkür-
lich in ihrer Bewegung innehielt.
»Sherman?« Der Alte schüttelte den Kopf. Offenbar erinnerte er
sich nicht. Er nahm seine Tasse und führte sie zum Mund. Und
dann setzte er sie so plötzlich ab, als hätte er sich verschluckt.
»Sherman  Sie sind Sherman?«, wiederholte er, und eine steile
Zornesfalte grub sich zwischen seine silbergrauen Augenbrauen.
»Sie sind dieser impertinente Amerikaner, der mich des Plagiats
beschuldigt und mich verklagen will?« Er richtete sich in seinem
Korbstuhl auf und schaute Rosalie verärgert an. »Ich verstehe nicht
& Was soll das bedeuten, Rosalie? Wieso bringen Sie diesen Ver-
rückten in mein Haus? Wollen Sie mich beleidigen?«
»Moment mal! Hier ist keiner verrückt, Monsieur Marchais, und
ich schon gar nicht«, unterbrach Robert. »Wir hätte da ein paar
Fragen an Sie. Immerhin bin ich es, der das Original-
manus-aaah & « Robert griff sich mit schmerzerfüllter Miene an
sein linkes Schienbein, gegen das er soeben unter dem Tisch einen
heftigen Tritt bekommen hatte.
Marchais warf einen verwirrten Blick von einem zum anderen,
während Robert sich sein schmerzendes Bein rieb und Rosalie
feuerrot wurde.
»Ich kann alles erklären«, sagte sie.
Marchais starrte sie ungläubig an. »Wollen Sie mir am Ende
erzählen, dass Sie sich mit diesem Typen eingelassen haben?« Er
schüttelte fassungslos den Kopf.
»Nein & ja.« Rosalie wechselte erstaunlich schnell die Gesichts-
farbe. »Es ist alles anders, als es scheint«, sagte sie kryptisch.
»Und wie ist es dann?«, fragte Marchais.
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Wie um sich für die lange Erklärung, die nun folgen würde, zu
stärken, nahm Rosalie hastig einen großen Schluck von dem Café [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]

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