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die Stufen herunterhüpfte, als habe er gerade eben längere Zeit
in einem Jungbrunnen gepaddelt. Er strahlte mich an, er
zwinkerte mir zu, er summte irgendeinen albernen Schlager,
und wenn er vorübergehend einen Spitzentanz eingelegt hätte,
wäre ich auch nicht verwundert gewesen. Sein Blick war voll
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Seligkeit.
Lilo stand in der Tür und lächelte mich an.
»Habe ich etwa diesen netten Herren verjagt?« fragte ich.
Sie bekam den Bruchteil einer Sekunde sehr runde Augen
und lachte dann erfrischend. »Das war der Elektriker von ne-
benan, der meinen Fernseher gerichtet hat.«
»Nachts?«
»Nachts. Seine Frau, die mich immer zuckersüß grüßt, weiß,
daß ich entweder in der Bar arbeite oder aber hier. Wenn ich
ihn tagsüber antanzen lassen würde, hätte sie den dringenden
Verdacht, daß er fremdgeht.«
»Man sagt von Ihnen, Sie seien eine Hure. Sind Sie das?«
Sie wandte sich ab und wies ein wenig theatralisch in einen
sehr großen Wohnraum, der zwei Stufen tiefer lag und eine
Landschaft in weiß und braun war. »Sieht das so aus, als sei ich
eine Nutte?« Merkwürdigerweise war sie nicht im geringsten
gekränkt.
Es gab eine sehr große Sitzgruppe in honigfarbenem Leder,
von der ich ziemlich genau wußte, daß einfache Leute für das
Geld ein ganzes Haus bauen könnten. Es gab Hirtenteppiche,
die nicht von der Sorte waren, wie man sie, den Quadratmeter
zu zwanzig Mark, deutschen Hausfrauen als Inbegriff des Lu-
xus einreden will. Es gab drei biblische Motive von Chagall,
eins pro Wand. Ich wußte, daß man sie nicht im nächstbesten
Kunstgewerbeladen kaufen konnte. Ich sagte: »Das ist eigent-
lich keine Antwort. Die Antwort, die mir dieser wirklich
wunderschöne Raum gibt, besagt nur, daß Sie eine sehr teure
Nutte sein können. Entschuldigung.«
Sie stand da, stemmte die Arme in die Hüften und wußte
nicht genau, ob sie nun sauer sein sollte oder belustigt.
»Es ist eine rein berufliche Frage«, betonte ich. »Es ist kei-
nerlei Wertung damit verbunden. Die Menschen auf den
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Straßen dieser Stadt behaupten, Sie lieben gegen Geld.«
»Das tue ich nicht, oder vielmehr tue ich das nur höchst sel-
ten. Ich wähle meine Freunde aus, ich habe etwas gegen laute,
fettige, dicke Männer, damit fallen drei Viertel der Weltbevöl-
kerung schon einmal aus, oder? Es ist dagegen richtig, daß ich
mich aushalten lasse von Typen, die mir wirklich gefallen.«
»Wie teuer sind Sie denn so?«
»Ich habe keinen Preis«, sagte sie. Die Belustigung in ihr
schien zu siegen, und das war gut für mich. »Setzen Sie sich
bitte. Wollen Sie etwas trinken?«
»Ein Wasser, bitte.« Ich hockte mich sehr vorsichtig in einen
dieser sündteuren Sessel. »Um es einfach zu machen: Ich glau-
be, daß Watermann ermordet wurde. Deshalb bin ich hier. Ich
bin hier, um zu erfahren, was mit Paolo Maggia geschah. Sind
Sie eigentlich von der Genfer Polizei verhört worden?«
»Leider erst dreieinhalb Jahre nach den Ereignissen.«
Sie stellte die Flasche und ein Glas vor mich hin und setzte
sich mir gegenüber.
»Hatten Sie bei dem Verhör den Eindruck, daß die Polizei
ernsthaft ermittelt oder schleppend vor sich hin arbeitet?«
»Sie ermittelten langsam, weil sie nach eigener Aussage im-
mer noch auf deutsche Amtshilfe warteten. Es ist eine
politische Schweinerei, nicht wahr?«
Das hatte ich schon einmal gehört, und ich wußte, daß das der
Wahrheit entsprach. »Eine private Frage: Was glauben Sie, ist
er ermordet worden?«
»Selbstverständlich ist er ermordet worden«, sagte sie. Sie
hockte in weißer Bluse und roten Jeans wie eine Luxuspuppe in
dem Meer von honigfarbenem Leder, aber sie wirkte nicht im
geringsten verspielt. »Sie haben mir schöne Grüße von Paolo
gebracht. Also, was will er?«
»Die Grüße waren ein Bluff. Ich weiß nicht, wo er ist, ich
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weiß nicht, wie er sich jetzt nennt. Aber ich muß ihn finden.«
Sie steckte sich einen langen Zigarillo zwischen die grellro-
ten Lippen und zündete ihn an. »Das habe ich mir fast gedacht.
Aber ich glaube nicht, daß Paolo irgend etwas damit zu tun
hatte. Falls er etwas damit zu tun hatte, dürfte er tot sein,
oder?«
»Wahrscheinlich. Es ist mir zugetragen worden, daß Paolo
Ihre große Liebe war. Es ist mir auch zugetragen worden, daß
Sie ihn heiraten wollten oder irgend etwas in dieser Preislage.
Ist das richtig?«
»Nein, ist es nicht. Fällt Ihnen auf, daß die Frauen in den Ge-
schichten der Männer immer den schlechteren Part spielen?
Bevor ich Ihnen die Geschichte erzähle, muß ich wissen, wer
Sie sind, was Sie eigentlich wollen, und ja, was Sie mir zah-
len.«
»Sie sagten, Sie wüßten nichts, weil Paolo nichts damit zu
tun hatte. Für was soll ich also zahlen?«
»Sind Sie freiberuflich tätig?«
»Ja, bin ich.«
»Wer bezahlt Ihre Recherchen?«
»Ein Münchner Blatt.«
»Können Sie mir tausend geben?«
»Kann ich. Aber ich weiß nicht, ob ich soll.«
Sie lachte, und es wirkte erfrischend. »Sie werden.«
»Bedeutet das, daß Sie bei der Polizei nichts von Wert ausge-
sagt haben?«
Sie wurde ernst, sie starrte vor sich hin, sie bedachte meine
Worte, sie kniff die Lippen zusammen, sie schüttelte den Kopf,
es war, als verhandele sie mit sich selbst. »Sagen wir so: Da
man nicht jeden Tag einen deutschen Ministerpräsidenten tot in
der Badewanne liegen hat, nahm zunächst jeder in den Hotels
an, Paolo hätte etwas damit zu tun. Ich auch. Aber dann konnte
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ich keine Verbindung herstellen zwischen diesem Politarsch
und meinem Paolo. Na sicher, Paolo hat als Springer damals
überall gearbeitet, auch im Etagenservice im dritten Stock, aber
das muß nichts heißen. Ich gebe aber zu, daß mir mittlerweile
Zweifel gekommen sind. Ich habe der Polizei zwar nichts da-
von gesagt, weil ich die Polizei nicht leiden kann, aber ich bin
inzwischen sicher, daß Paolo etwas mit Watermann zu tun hat-
te. Die Frage ist nur: Was? Und jetzt zu Ihnen: Wer sind Sie,
was haben Sie vor? Können Sie zahlen?« Sie lachte, und die
ganze kleine Figur vibrierte vor Heiterkeit.
»Ich bin Siggi Baumeister, ich gelte als Spezialist für Lang-
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